Vergessenskurve: Lernen trotz Vergessens

Auch wenn es schön wäre: Nicht alles, was Menschen neu erlernen, wird auch für einen längeren Zeitraum behalten. Tatsächlich vergessen Lernende viel vom neuen Wissen innerhalb kürzester Zeit. Die Vergessenskurve nach dem deutschen Psychologen Hermann Ebbinghaus verdeutlicht das. Was diese aussagt, welche Bedeutung der Ebbinghausschen Kurve zukommt und warum diese auch kritisiert wird, zeigt der Ratgeber im Folgenden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Vergessenskurve basiert auf den Erkenntnissen des deutschen Psychologen Hermann Ebbinghaus
  • Dieser fand heraus, dass Menschen Erlerntes bereits nach kurzer Zeit wieder vergessen
  • Auf Basis der Erkenntnisse von Ebbinghaus wurden zahlreiche unterschiedliche Lernmethoden entwickelt
  • Die Vergessenskurve ist nicht ohne Kritik, da diese lediglich auf den Ergebnissen von Selbstversuchen basiert

Definition der Vergessenskurve

Die Vergessenskurve wird auch als Ebbinghaussche Kurve bezeichnet und basiert auf den Erkenntnissen des deutschen Psychologen Hermann Ebbinghaus. Dieser fand in Selbstversuchen heraus, dass Menschen neu Gelerntes zu großen Teilen bereits nach kurzer Zeit wieder vergessen.

Ebbinghaus untersuchte in den Selbstversuchen unter anderem, wie viel Prozent des Erlernten nach welcher Zeit wieder vergessen wurde. Ebenso ermittelte er auch die Anzahl der Wiederholungen in Abhängig der Zeit, die für die fehlerfreie Reproduktion einer Silbenreihe nach einer Paus notwendig ist.

Vergessenskurve einfach erklärt

Die Vergessenskurve nach Ebbinghaus lässt sich einfach erklären. Auf der linken Achse ist der Grad der Erinnerung zu finden. Auf der X-Achse die Anzahl der Tage, über die Informationen erinnert werden. Dabei lässt der Verlauf der Kurve erkennen, dass mit zunehmender Dauer immer weniger Informationen wieder abgerufen werden können.

Formel

Gemäß der Ergebnisse des Psychologen haben Menschen nur 20 Minuten nach dem Lernen bereits rund 40 Prozent des Erlernten vergessen. Weitere 40 Minuten später, also eine Stunde nach dem Lernen, sind es bereits rund 55 Prozent, die wieder vergessen werden.

Nach einem Tag können demnach nur noch 34 Prozent der Informationen wieder abgerufen werden. Vergessen wurden innerhalb von 24 Sunden laut Ebbinghaus also 66 Prozent der erlernten Informationen. Nach sechs Tagen erinnern sich Menschen nur noch an rund 23 Prozent des Erlernten und haben damit 77 Prozent vergessen. Dauerhaft werden laut Ebbinghaus sogar nur 15 Prozent des Erlernten gespeichert.

Bedeutung der Ebbinghausschen Kurve

Gerade in der Anfangszeit der Hirnforschung hatten die Ergebnisse der Ebbinghausschen Kurve eine Menge Gewicht. Nach und nach wurden diese zwar häufiger kritisiert, dennoch gilt der Psychologe als Pionier der Gedächtnisforschung und war seiner Zeit um 1885 ein deutliches Stück voraus. Bereits mehrfach wurden die Ergebnisse von Forschern und Professoren bereits bestätigt. Noch heute haben diese deshalb ihre Berechtigung.

Lernen mit der Vergessenkurve: Folgerungen aus der Ebbinghausschen Kurve

Aus der Ebbinghausschen Kurve ergeben sich einige logische Schlussfolgerungen. Offensichtlich kann der Vorgang des Vergessens abgeschwächt werden, wenn Inhalte in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Jede Wiederholung der Inhalte sorgt dabei dafür, dass sich das mögliche Intervall bis zum Vergessen verlängert. Das Gehirn verhält sich demnach ähnlich wie ein Muskel im Körper: Dieser muss ständig herausgefordert werden, um erhalten zu bleiben oder bestenfalls zu wachsen. Geschieht dies nicht, verliert der Muskel bzw. das Gehirn nach und nach seine Fähigkeit.

Techniken gegen die Vergessenskurve

Natürlich müssen Menschen den Verlauf der Vergessenskurve nicht einfach wortlos hinnehmen. Es gibt unterschiedliche Techniken, mit denen sich Lernende gegen diesen wehren können. Eine davon ist die Spaced Repetition Methode. Mit dieser werden bestimmte Inhalte nach einem gewissen Zeitraum erneut wiederholt. Der Zeitraum wird vergrößert, um so sicherzustellen, dass das Erlernte auch nach langer Zeit noch abrufbar ist. Eine kleine Übersicht über mögliche Techniken gegen die Vergessenskurve haben wir hier aufgeführt:

  • Spaced Repetition
  • Notizen
  • Wiederholungen
  • Mnemotechniken

Kritische Auseinandersetzung

Die Betrachtung der Kurve nach Ebbinghaus wurde bereits mehrfach kritisiert. Viele Kollegen und Forscher hinterfragten, ob die Selbstversuche wirklich ausreichend seien, um valide und verlässliche Ergebnisse zu liefern, da zum Beispiel keine Kontrolle von möglichen Störfaktoren durchgeführt werden konnte.

Darüber hinaus musste sich Ebbinghaus dafür Kritik gefallen lassen, dass er das Wissen mit sinnlosen Silben überprüfte, nicht aber mit Vokabeln, die deutlich besser erinnert werden können. Kritisiert wurden zudem auch die ungenaue Zeitmessung und die künstliche Lernsituation während der Selbstversuche.

Wie lässt sich die Vergessenskurve beeinflussen?

Die Vergessenskurve kann anhand verschiedener Techniken beeinflusst werden. Welche das sind und wie diese beim Kampf gegen das Vergessen behilflich sein können, erläutern wir im Folgenden.

Verbesserung der Gedächtnisleistung

Viele unterschiedliche Wege können dabei helfen, die Gedächtnisleistung einfach und ganz natürlich zu verbessern. Behilflich sein können zum Beispiel Anpassungen in der Ernährung, der Zufuhr an Sauerstoff oder die Zufuhr an Flüssigkeiten wie Wasser. Darüber hinaus benötigt das Gehirn für eine optimale Arbeit auch umfangreiche Kohlenhydrate und mit Chlorophyll einen Stoff, der den Sauerstoff im Gehirn binden kann.

Intensives Gedächtnistraining

Um den Verlauf der Vergessenskurve zu beeinflussen, bietet sich auch ein intensives Gedächtnistraining an. Schon das kontinuierliche Lesen kann eine Hilfe sein. Aber auch kleine Kopfrechen-Aufgaben oder Rätsel wie Kreuzworträtsel und Sudoku halten das Gedächtnis fit.

Stetiges Wiederholen

Ein ganz einfaches und enorm effektives Mittel gegen das Vergessen ist das stetige Wiederholen. Inhalte, die jeden Tag aufs Neue abgerufen werden müssen, werden vom Gehirn als wichtig eingestuft und folglich nicht so leicht vergessen.

Fazit

Die Ebbinghaussche Kurve ist nicht unumstritten, ihre Ergebnisse werden aber auch heute noch als gültig angesehen. Die Kurve belegt, dass Menschen bereits nach kurzer Zeit einen großen Teil von neu erlerntem Wissen wieder vergessen. Erfreulicherweise lässt sich dieser Entwicklung mit regelmäßigen Übungen, dem Training des Gedächtnisses und auch einer gesunden Ernährung entgegenwirken.