Alternative Qualifizierungswege boomen: Interview mit Güncem Campagna, CEO Codingschule

Der Boom von Online-Weiterbildung und Onlinekursen hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass sich neben etablierten Bildungsanbietern und personenbezogenen Kursen über Bildungsplattformen immer mehr Neugründungen auf dem Markt positionieren.

Güncem Campagna, Codingschule
Güncem Campagna, Codingschule (Foto: Jan Wittmann)


Zu den derzeit spannendsten Geschichten gehört sicher die Entwicklung der Codingschule (https://www.codingschule.de) in Düsseldorf. 2016 von der ehem. Marketing Managerin und Unternehmensberaterin Güncem Campagna ins Leben gerufen, sind jüngst auch internationale Player auf die Tech and Teach gGmbH mit ihren Angeboten Codingschule und Codingschule junior aufmerksam geworden. An den Leitlinien des Unternehmens hat der Erfolg jedoch nichts geändert.

Unter anderem darüber haben wir mit Güncem Campagna, Gründerin und neben Marc Bertram Geschäftsführerin und Trainerin gesprochen.

Zu jeder Neugründung viel Enthusiasmus und Träume. Was davon ist seit Eurer Gründung als Weiterbildungsanbieter 2016 geblieben oder gewachsen?
Das ist völlig richtig, ohne Begeisterung für eine Idee kann es kaum eine Gründung geben. Ich würde sagen, der Enthusiasmus ist geblieben: nach wie vor freuen wir uns über zufriedene Teilnehmende und gelungene Projekte. Dass unser weitergegebenes Wissen Menschen befähigt, die digitale Welt besser zu verstehen und sie zu gestalten, ist sehr motivierend für uns. Und wenn wir im Fall der Weiterqualifikation sogar Menschen den IT-Quereinstieg ermöglichen können, erfüllt uns das mit Stolz. Bei den Träumen muss ich sagen, dass wir sehr zaghaft waren. Wir sind nach wie vor eigenfinanziert und machen kleine Schritte. Dennoch haben wir mehr erreicht, als wir dachten.

Ein möglichst einfacher Zugang zu Euren Weiterbildungen und Diversität sind zwei Eurer Leitmotive. Wo siehst Du die Codingschule dahingehend positioniert?
Sicherlich gibt es auch andere niedrigschwellige Angebote und auch welche, die den Diversitätsfaktor berücksichtigen. Es gibt aber meines Wissens keinen Bildungsanbieter, der das in sein gesamtes Angebot integriert und als Leitbild verfolgt. Vom Kurs für Anfänger*innen bis hin zu den Zertifikatskursen ist es unser Wunsch, Diversität und einfache Zugänglichkeit zu erreichen.

Stichwort: Diversität. Unter anderem bietet Ihr Kurse nur für Frauen an. Wie kam es dazu?
Das ist ein wichtiger Punkt. In Deutschland haben wir in der IT eine Frauenquote von 17 Prozent. Das ist viel zu wenig. Es gibt viele Faktoren, die diese Ungleichheit begünstigen. Unter anderen sind es die unterschiedlichen Lernweisen und Interessen von Frauen, die sie davon abhalten, »reguläre« IT-Kurse zu besuchen. Ein reiner Frauenkurs soll diese Hemmschwellen beseitigen. Die IT-Branche hat es bislang versäumt, Berufsfelder und Arbeitsfelder zu definieren, die gleichermaßen für Männer und Frauen attraktiv sind. Jetzt, durch den enormen Fachkräftemangel, beginnt man darüber nachzudenken.

Wie schätzt Du anteilig das Verhältnis von Neueinsteigern und Quereinsteigern in der IT-Branche ein?
Dazu kann ich keine Zahlen nennen, kann man auch schwierig vergleichen, weil ich die Lehrformate nicht gegenüberstellen kann. Generell denke ich, dass Quereinstieg ein wachsendes Thema ist. Es gibt zu wenige IT-Absolvent*innen, die bisherigen Studiengänge und Ausbildungen sind zu schwerfällig und konnten die Dynamik der Digitalisierung nicht abbilden. Daher boomen aktuell alternative Qualifizierungswege.

Neben der Codingschule gibt es noch die Codingschule junior. Da hat sich gerade erst in den letzten Monaten einiges bei Euch getan – was ist passiert?
Ziemlich viel! Wir haben zum Juli 2022 Coding For Tomorrow, das Bildungsprogramm der Vodafone Stiftung, übernommen, mit dem wir Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern digitale Kompetenzen vermitteln. Viele Teile der Codingschule junior bilden wir jetzt über Coding For Tomorrow ab. Nur der Teil, in dem wir Jugendliche das »richtige« Programmieren beibringen, bleibt in der Codingschule, das Coding Lab.

Ihr bietet auch spezielle Weiterbildungen für Lehrkräfte an. Wie schätzt Du den Nachholbedarf in Schulen ein?
Der Nachholbedarf ist riesig! Der Umgang mit digitalen Medien ist für alle Kinder selbstverständlich und die Berufe, die sie zukünftig ausüben werden, haben alle digitale Elemente oder sind aus digitalen Geschäftsmodellen entstanden. Außerdem ist das Internet das erste Medium zur Informationsbeschaffung. Alle Kinder müssen digitale Kompetenzen erwerben und das geht nur, wenn das Thema in der Schule vermittelt wird. Es gibt aber nach wie vor Lehrkräfte, die das Thema weder kompetent beherrschen noch vermitteln können. Hier gibt es einen enormen Weiterbildungsstau.

Inwieweit reagieren Unternehmen auf Euer Programm? Gibt es Partnerschaften?
Da hat sich in den letzten Monaten auch viel getan. Den AWS Cloud Professional Kurs führen wir mit großer Unterstützung von Amazon Web Services durch. Dadurch ist eine Kooperation mit der Unternehmensberatung Deloitte entstanden. Mitarbeitende von Deloitte ergänzen den bestehen Kurs um weitere Slots mit Themen aus dem Cloud-Bereich. Es gab eine Einführung in GitHub, Business English war ein beliebtes Thema und weitere Themen kommen noch. Das ist wirklich ein großartiges CSR-Engagement von Deloitte. Die Kursteilnehmenden sind sehr begeistert, dass sie in direkten Kontakt zu der „realen“ Cloud-Welt sind.

Teilnehmende des AWS Cloud Professional Kurses mit Senior Program Manager von AWS und Güncem Campagna (Foto: Codingschule)

Euer Weiterbildungsangebot konzentriert sich aktuell auf Grundlagen der Programmierung mit Python, HTML, CSS und JavaScript sowie seit 2022: die Weiterbildung zum Cloud-Developer. Ist darüber hinaus eine Ausweitung der Themen geplant?
Themen gibt es sicherlich genug, Ideen haben wir. Aber solange wir eigenfinanziert sind, werden wir kleine Schritte machen, damit auch die Qualität nicht leidet. Interessant ist natürlich Data Science für uns, aber das wird sicherlich noch dauern, bis wir in dem Bereich einen Qualifikationskurs auf die Beine stellen.

Wie bildest Du Dich weiter – wenn dazu Zeit bleibt?
Ich bin sehr viel auf Social Media und folge Expertinnen und Experten, außerdem lese ich Fachartikel. Wenn es die Zeit zulässt, tausche ich mich auch mit Kolleginnen aus der Branche aus. Ich bin eher die Selbstlernerin, Kurse oder Tagungen besuche ist eigentlich nie.

Vielen Dank für das Gespräch!

Aktuelle Weiterbildungsangebote der Codingschule bei Onlinekurse.com