Montessori: Konzepte für die Erwachsenenbildung

In der beruflichen Weiterbildung und vor dem Hintergrund der Digitalisierung tauchen unvermutet viele Aspekte pädagogischer Konzepte wie von Maria Montessori wieder auf. Als wären sie speziell dafür gemacht.  

Viele der heute noch bekannten und praktizierten pädagogischen Konzepte wurden primär für Schulen bzw. Schulkinder entwickelt. Eines der bekanntesten stammt von der italienischen Ärztin, Reformpädagogin und Philosophin Maria Montessori (1870-1952). Solche Ideen müssen natürlich immer im Kontext ihrer Zeit gesehen werden. Spannend wird es jedoch, wenn sie nicht nur grundlegende gesellschaftliche Veränderungen überstehen, sondern sich auch als effektiv in Bereichen erweisen, für die sie gar nicht gedacht waren – zumindest in Teilen.

Ein Leben lang lernen

Jeder kennt Sinnsprüche wie »Man lernt nie aus«. Dahinter steckt die Einstellung, dass man Zeit seines Lebens immer wieder Neues hinzulernen muss, um sich weiterzuentwickeln. Dieses Prinzip ist noch gar nicht so alt. Lebenslanges Lernen hat sich hierzulande erst zwischen den 1970er und 1990er Jahren etabliert. Dafür gibt es viele Gründe, etwa den Beginn des elektronischen und später digitalen Zeitalters. 

Lebenslanges Lernen als Grundeinstellung macht aus einer industriellen Gesellschaft eine Wissensgesellschaft, die den permanenten technischen Fortschritt vorantreibt, aber gleichzeitig auch jedem Menschen helfen muss, ihn zu bewältigen. 

Übergang vom Schüler zum Erwachsenen

Die Abgrenzung vom Schulkind zum Erwachsenen hat auch bei Montessori eine gemeinsame Schnittmenge. Die Reformpädagogin skizzierte vier aufeinanderfolgende Entwicklungsstufen, deren vierte sie im Alter zwischen 18 und 24 Jahren ansetzte. (Mit 18 volljährig ist man hierzulande übrigens erst seit 1974.)  

Bei Montessori betraf damals diese Entwicklungsstufe aus Altersgründen in erster Linie Studierende an einer Hochschule. Ihnen sei bewusst, dass sich Lernen nicht nur auf die Qualifikation für einen Beruf beschränkt, sondern weitergeführt werden müsse, um sich seine Unabhängigkeit und einen Platz in der Gesellschaft zu sichern. 

Montessori für die moderne Arbeitswelt

Um es vorwegzunehmen: Ohne die wesentlichen Grundpfeiler der Montessori-Pädagogik wären Erwachsenenbildung und berufliche Weiterbildung im digitalen Zeitalter nicht denkbar. Wir wollen drei zentrale Aspekte von Montessori betrachten und wie sie heute in der Weiterbildung Anwendung finden.

  1. »Hilf mir, es selbst zu tun.« (Leitsatz)
  2. Freiarbeit (Prinzip)
  3. Soziale Kompetenzen und Umgang mit Fehlern (Methodik)

Hilfe zur Selbsthilfe

In dem Leitsatz »Hilf mir, es selbst zu tun« zeigt sich, wie gut Bereiche der Montessori-Pädagogik in der modernen Arbeitswelt funktionieren. Ganz besonders gilt dies für Arbeitsprozesse mit digitaler Anbindung. Digitale Technologie von der Programmiersprache bis zum digitalen Endgerät verlangt vom Anwender häufig, individuelle Lösungen zu finden. Anders als mit herkömmlichen Maschinen und Werkzeugen haben wir es bei digitalen Produkten mit Multi-Werkzeugen zu tun. Die Aufgabe des Anwenders besteht darin, zu erkennen, was getan werden muss und wie man mit Hilfe digitaler Technologien eine Lösung findet. 

In vielen Betrieben und Arbeitsfeldern begegnen uns Projekte und Projektgruppen statt hierarchisch stark abgegrenzter Abteilungen, wie sie etwa bei Verwaltungsstrukturen wichtig sind.  

Besonders in agilen Personalstrukturen hat man den Zusammenhang zwischen Bereitstellung optimaler Voraussetzungen/Arbeitsumfeld, flachen Hierarchien in autarken Projektgruppen und einer großen Vertrauensbasis gegenüber den Mitarbeitern erkannt. Es wird erwartet, dass Teams nicht nur entwickeln und umsetzen können, sondern auch selbständig erkennen, was für welches Teammitglied wichtig ist zu erlernen, um ergebnisorientiert zu arbeiten. 

Freiarbeit inklusive Lernen am Arbeitsplatz

Mit der Digitalisierung in der Weiterbildung werden den Teilnehmern viele Freiheiten ermöglicht. So kann man beispielsweise Onlinekurse mit vorproduzierten Videos und Materialien (E-Learning) frei an seine individuellen Bedürfnisse hinsichtlich Lernzeiten, Lernfrequenzen sowie den Ort anpassen. 

Das Lernen am Arbeitsplatz sowie das Lernen als Bestandteil der eigenen Arbeit sind in vielen Bereichen längst zu wichtigen Kriterien für Bildungsangebote an die eigenen Mitarbeiter geworden. Neben Onlinekursen on demand bieten Bildungsträger auch immer mehr Inhouse-Schulungen an, die gezielt auf die Bedürfnisse einer Belegschaft oder einzelner Projektteams abgestimmt sind. Ebenso wird nicht selten von Mitarbeitern erwartet, Weiterbildungsmaßnahmen selbständig vorzuschlagen. Neben Kursen reichen die Lernwerkzeuge von Wikis, Online-Foren, Sozialen Netzwerken über Kursmanagement- und Lernplattformen bis hin zu Audio- und Video-Plattformen. Dazu werden fortlaufend weitere Lernformen entwickelt und geprüft, wie Blended Learning (Kombination aus E-Learning und Präsenzveranstaltung), Gamification oder Microlearning (Lernen in kleinen Einheiten). 

So entwickelt sich im Prinzip genau nach den Vorstellungen Maria Montessoris im Unternehmen eine progressive Lernkultur, geprägt von individualisierbaren Angeboten und der Freiheit für den Mitarbeiter, selbstbestimmt arbeiten und lernen zu können. Daraus erhofft man sich mehr Motivation und mehr Engagement, was den Unternehmenszielen und den persönlichen Zielen gleichermaßen zugutekommt. 

Soziale Kompetenzen und Fehlerkultur

Der Erwerb sozialer Kompetenzen ist ein Kernelement in der Montessori Pädagogik, das in allen Entwicklungsstufen fest eingebunden ist. Beispiel: Wie eingangs erwähnt, soll Studierenden bewusst sein, dass lebenslanges Lernen unabdingbar ist, um sich seine Unabhängigkeit und einen Platz in der Gesellschaft zu sichern. 

Für den Erwerb sozialer Kompetenzen oder Soft Skills greifen gleich mehrere Prinzipien von Montessori ineinander:
Freiarbeit: Man wählt individuell Lernangebote und Lernmaterialien aus, um sein Lernziel zu erreichen.

Altersmischung: Dieser Punkt ist ursprünglich in den entsprechenden Schulen relevant. Kinder sollen auch in hinsichtlich Wissen und Alter heterogenen Gruppen lernen, in Teams zu arbeiten, sich gegenseitig zu helfen. Das spiegelt eins zu eins agile Arbeitsmethoden und moderne Projektarbeit. 

Fehlerkultur: Menschen machen Fehler und aus Fehlern kann man lernen. Diesen Grundsatz kann sich kein Pädagogik-Konzept exklusiv auf die Fahne schreiben. Bei Montessori gehen die Bestrebungen dahin, dass Menschen Fehler nicht nur selber erkennen, sondern auch lernen, sie selber zu korrigieren. Kompetenzen in der Fehlerkontrolle geben einem mehr Selbstbewusstsein und Sicherheit. So können aus Fehlern positive Erfahrungen werden und sind nicht automatisch gleichbedeutend mit einer persönlichen Niederlage. 

Fazit

Die Reformpädagogin Maria Montessori hatte keine hellseherischen Fähigkeiten. Sie konnte weder die Entwicklung der Arbeitswelten über die Industriegesellschaft hinaus, noch die Digitalisierung vorhersehen, im Zuge derer sich heute so viele ihrer Prinzipien und Methoden bewähren. 

Bleibt die Frage, was man für sich selbst aus der Montessori-Pädagogik ziehen kann. Sie ist zwar ursprünglich für Pädagogen und nicht für Lernende entwickelt worden. Doch in ihren Grundgedanken kann jeder Anregungen finden, Lernprozesse für sich selbst zu entwickeln. Es eröffnen sich einem neue Möglichkeiten.

  • Jeder dogmatische Ansatz in der Weiterbildung führt in eine Sackgasse, weil er den Spielraum für Erfahrungen und Lerneffekte eingrenzt. Aber es lohnt sich, solche Konzepte als Baukasten zu verstehen. 
  • Die Lernumgebung den eigenen Bedürfnissen bzw. dem Lernenden anzupassen, ist ein empfehlenswerter Ansatz für jeden. Er hat sich bewährt. Das zeigt unter anderem der wachsende Erfolg der E-Learning-Angebote.
  • Die Methoden sowie ihre Vielfalt sollten neben der fachlichen Qualität des Dozenten nicht zu unterschätzende Kriterien bei der Auswahl von Weiterbildungsangeboten sein.
  • Der positive Effekt, sich selbst – mit oder ohne Hilfe eines anderen – etwas neu zu erarbeiten oder Fehler zu erkennen und Lösungen zu finden, sollte nie unterschätzt werden.
      
  • Gerade in einer heute technisch und gedanklich so vernetzten Welt zeigt sich, wie sehr Lernen und die Entwicklung der Persönlichkeit miteinander verknüpft sind. Aus diesem Gedanken lässt sich viel Motivation für die eigene Weiterbildung ziehen.
     
  • Wer mehr lernt, hat die Wahl, was er davon wann, wo und wie gebrauchen möchte. 

Weiterführende Links/Quellen 

https://serwiss.bib.hs-hannover.de/frontdoor/deliver/index/docId/1217/file/Masterarbeit_FranziskaBraun.pdf

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