Lerntypen – Welcher Lerntyp bin ich?

Kindergarten, Schule, Studium, Aus- und Weiterbildung – egal, in welchem Lebensabschnitt sich ein Mensch befindet, ständig ist er damit beschäftigt, sich Wissen und wichtige Informationen anzueignen. Das Lernen an sich fällt in manchen Situationen leicht, in anderen schwer. Nicht jede Lebens- und Lernsituation lässt sich entspannt bewältigen.

Wer die für sich ideale Lernmethode und -situation gefunden hat, dem fällt leicht, sich Wissen anzueignen. Im Laufe der Zeit wurden die verschiedenen Vorzüge und Anforderungen an das Lernen in Lerntypen kategorisiert. Doch was steckt hinter diesem Begriff? Welche Lerntypen gibt es? Wie können die Eigenschaften des jeweiligen Typs für die eigene Lernsituation genutzt werden?

Begriffserklärung: Was sind Lerntypen?

Menschen nehmen Informationen auf unterschiedliche Art und Weise auf. Nicht jede Person nutzt dafür geschriebene Inhalte wie Bücher oder Fachmagazine. Manche bevorzugen Audioinhalte, Videos oder brauchen den interaktiven Austausch mit Menschen, um gut lernen zu können.

Es gibt also viele unterschiedliche Wege, um sich neues Wissen anzueignen. Lerntypen zeigen die Unterschiede bei der Verarbeitung von Informationen auf.

Lerntypen bilden daher modellhaft die verschiedenen Lernarten ab. Dass diese Beschreibungen immer ein wenig vereinfacht und in der Realität nicht eins zu eins anzutreffen sind, ist klar. Das gilt für alle Modelle.

Von Vester bis Kolb: Unterschiedliche Lerntypen im Überblick

Eine der bekanntesten Einteilungen der Lerntypen stammt von Frederic Vester, Biochemiker, Systemforscher, Umweltexperte und Universitätsprofessor. Er unterscheidet zwischen vier verschiedenen Lerntypen. Mithilfe dieser Typen wollte er es Menschen leichter machen, die richtige Lernmethode für sich selbst zu finden.

Es gibt allerdings nicht nur die vier Lerntypen von Frederic Vester. Darüber hinaus haben sich viele weitere Wissenschaftler Gedanken zu diesem Thema gemacht. Im Folgenden werden die bekanntesten Lerntypen-Modelle vorgestellt.

Frederic Vester: Lerntypen und deren unterschiedliche Wahrnehmungskanäle

Anhand vier unterschiedlicher Wahrnehmungskanäle nahm Frederic Vester eine Unterteilung in entsprechend viele Lerntypen vor.

  • Auditiver Lerntyp – Diese Menschen können Informationen am besten durch Hören aufnehmen. Mithilfe von Sprachaufnahmen in Form von Podcasts, Hörbüchern oder des klassischen Frontalunterrichts lernt dieser Typ besonders gut.
  • Haptischer Lerntyp – Durch das Anwenden und Ausprobieren sind diese Personen in der Lage, sich schnell und einfach Wissen anzueignen. Maschinenmodelle, die Anwendung von Fremdsprachen im Urlaub oder das Experimentieren mit speziellen Baukästen ermöglichen, erleichtern diesem Lerntypen die Informationsaufnahme.
  • Intellektueller Lerntyp – Neues Wissen kann von diesen Menschen dann gut abgespeichert werden, wenn sie dieses nicht nur kritisch hinterfragen, sondern auch selbstständig durchdenken können. Hier reicht bereits eine gedankliche Beschäftigung mit dem Thema aus, um das Wissen zu festigen.
  • Visueller Lerntyp – Mithilfe von Bildern, Videos und anderen grafischen Elementen ist dieser Lerntyp imstande, sich Daten und Fakten einzuprägen. Informationen aus Magazinen und Bücher werden von diesen Menschen zusammengefasst – unterschiedliche Farbcodierungen helfen dabei, Texte, visuell aufzuarbeiten.

Frederic Vester wurde vor allem für den intellektuellen Lerntypen kritisiert. Dieser basiert nicht wie anderen Lerntypen auf Wahrnehmungskanälen, sondern nur auf der Fähigkeit zum Verständnis von Themen. Da alle Typen über kognitive Fähigkeiten verfügen müssen, um zu lernen, kann eigentlich jeder dem intellektuellen Lerntypen zugeordnet werden.

Neil Fleming: Auditive, kinästhetische, lesend-schreibende und visuelle Lerntypen

Neil Fleming arbeitete das Modell von Vester weiter aus, strich den intellektuellen Lerntypen und konzentrierte sich auf die Aspekte der sinnlichen Wahrnehmung:

  • Auditiver Lerntyp – Die Person muss alles, was erlernt werden soll, zuvor hören.
  • Kinästhetischer Lerntyp – Dieser Typ muss das neue Wissen, wie der haptische Lerntyp von Vester, in der Praxis selbst ausprobieren und anwenden können.
  • Lesend-schreibender Lerntyp – Dieser Mensch schreibt sich wichtige Dinge auf oder liest Bücher, um sich neue Themengebiete zu erschließen.
  • Visueller Lerntyp – Dieser Lerntyp gleicht dem Typen von Frederic Vester. Wissen kann mithilfe von Bildern aufgenommen und abgespeichert werden.

Fleming hat zusätzlich die These aufgestellt, dass Menschen auch mehrere dieser Lerntypen in sich vereinen können. Es gibt nicht nur die genannten Typen, sondern auch Mischformen. Typ 1 passt je nach Situation seine Strategie zur Wissensaufnahme an. Typ 2 nutzt alle verschiedenen Wahrnehmungskanäle, um sich Wissen anzueignen.

Josef Schrader: Fünf verschiedene Lernpersönlichkeiten

Josef Schrader sammelte seine Erfahrungen im Bereich der beruflichen Weiterbildung von Erwachsenen. Von seinen Beobachtungen leitete er fünf verschiedene Lernpersönlichkeiten ab:

  • Der Anwendungsorientierte – Diese Persönlichkeit probiert neues Wissen praktisch aus. Sie will wissen, wie sie Informationen weiterverwenden kann. Solch ein Mensch braucht nicht nur viele Fakten, sondern auch einen Praxisbezug, um bestmöglich lernen zu können.
  • Der Gleichgültige – Diese Menschen wollen sich nur notwendiges Wissen aneignen. Spaß am Lernen haben sie nicht. Die Persönlichkeit lernt nur das, was sie benötigt, um Prüfungssituation zu meistern.
  • Der Musterschüler – Ehrgeiz, Fleiß und Strebsamkeit zeichnen diese Persönlichkeit aus. Auswendiglernen und Wiedergeben des Gelernten fällt dieser Person leicht. Das Suchen nach eigenständigen Lösungen fällt ihr jedoch schwer.
  • Der Theoretiker – Das Nachvollziehen von Zusammenhängen steht im Mittelpunkt dieser Persönlichkeit. Ein Theoretiker lernt gerne und viel. Er wendet Wissen gerne praktisch an und sieht Probleme als Herausforderungen, mit deren Hilfe er noch mehr lernen kann.
  • Der Unsichere – Diese Persönlichkeit benötigt beim Lernen viel Zuspruch. Die Person hat Angst vor Schwierigkeiten, die beim Lernen auftauchen können. Es fällt ihr leicht, Wissen aufzunehmen und sich einzuprägen.

David A. Kolb: Lerntypen basierend auf Lernvorgängen

Kolb hat einen Lernkreis entwickelt und von diesem Kreis Personen abgeleitet, die sich in bestimmten Prozessen des Lernens am wohlsten fühlen:

  • Divergierer/Entdecker – Der Lernkreis von David A. Kolb beginnt mit den Erfahrungen, die man beim Auseinandersetzen mit neuen Inhalten sammelt. Hier werden also neue Informationen entdeckt.
  • Assimilierer/Denker – Im zweiten Schritt werden Beobachtungen gemacht. Theoretische Modelle werden erkannt und eingeordnet.
  • Konvergierer/Entscheider – Mithilfe einer Begriffsbildung werden Konzepte erstellt und Generalisierungen, die das neu Erlernte greifbarer und leichter einordbar machen, vorgenommen.
  • Akkomodierer/Praktiker – Im letzten Schritt geht es darum, das neue Wissen selbst anzuwenden und in der Praxis zu erproben.

Es kann natürlich vorkommen, dass sich Menschen nicht nur in einem Lernschritt, sondern in mehreren Schritten wohlfühlen. Auch bei David A. Kolb gibt es also Mischformen beziehungsweise Mischlerntypen.

Mehr Lerngrundlage als Lernblaupause

Die vorgestellten Lerntypen-Systeme sind, das wird auch durch die Unterschiede der definierten Typen deutlich, keineswegs perfekt oder als abschließende Definition zu verstehen. Daher sollten die unterschiedlichen Lerntypen nicht als fester Kategorisierung, sondern als Ausgangsbasis für die eigene Lernreise genutzt werden.
Sie können beispielsweise dazu dienen, die eigenen Lerngewohnheiten und -arten zu reflektieren und zu optimieren. Und sie können den nötigen Anstoß liefern, um sich kritischer mit dem eigenen Lernen zu befassen und neues auszuprobieren.

Wer weiß, vielleicht findet sich so der eine oder andere neue Wahrnehmungskanal für die Wissensaneignung. Bei Bedarf können die individuelle Lernstrategie und Herangehensweise auch im Blick auf den am besten passenden Lerntyp angepasst und optimiert werden.