Das Paula-Prinzip: warum Frauen im Berufsleben oft nicht vorankommen

Das Paula-Prinzip besagt, dass einige Arbeitnehmer, vor allem Frauen, sich häufig in beruflichen Positionen befinden, für die sie überqualifiziert sind. Sie steigen nicht auf, während andere Arbeitnehmer, die weniger gut qualifiziert sind, befördert werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Jahr 2017 von Tom Schuller als Gegenteil vom Peter-Prinzip formuliert
  • Das Paula-Prinzip bezeichnet einen beruflichen Stillstand vor allem bei Frauen, obwohl eine höhere Qualifikation vorhanden ist
  • Die Gründe für das Paula-Prinzip sind meist gesellschaftlicher Natur
  • Gilt für alle beruflichen Branchen und Hierarchien

Das Paula Prinzip: Definition und Charakterisierung

Das Paula-Prinzip wurde 2017 als Gegensatz zum Peter-Prinzip (1969) entwickelt. Es beschreibt den Umstand, dass einige Arbeitnehmer, vor allem Frauen, nicht befördert werden, obwohl sie für eine ranghöhere Stelle qualifiziert wären. So bleiben viele Frauen in der Arbeitswelt hinter ihren Möglichkeiten zurück. Qualifizierten Frauen wird häufig der berufliche Aufstieg erschwert, da Stellen mit mehr Verantwortung häufig mit Männern besetzt werden.

Das Paula-Prinzip richtet den Blick nicht nur auf berufliche Hierarchiestufen innerhalb großer Unternehmen oder innerhalb von Führungspositionen. Es nimmt alle beruflichen Felder und Branchen in den Blick, in denen Mitarbeiter hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.

Gegenüberstellung vom Paula- und Peter-Prinzip

Einfach ausgedrückt lässt sich sagen, dass das Peter- und das Paula-Prinzip zwei entgegengesetzte Theorien aus der Arbeitswelt bezeichnen. Während beim Peter Prinzip Arbeitnehmer so lange immer weiter aufsteigen, bis sie irgendwann einen Posten erreichen, an dem sie an ihrer eigenen Inkompetenz scheitern, ist es beim Paula-Prinzip genau umgekehrt. Hier verharren Arbeitnehmer in einer beruflichen Position, für die sie eigentlich überqualifiziert sind. In jedem Unternehmen werden Stellen mit Mitarbeitern besetzt, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind (Peter-Prinzip).

Oftmals bleiben diese Arbeitnehmer trotz schlechter Arbeit auf dieser Position, anstatt sie mit einem Kandidaten zu besetzen, der den Anforderungen gewachsen wäre, aber beruflich nicht aufsteigt (Paula-Prinzip). Das Peter-Prinzip findet häufiger bei männlichen Angestellten statt, das Paula-Prinzip hingegen gilt eher für das weibliche Geschlecht.

Erklärung: Gründe für das Paula-Prinzip

Die Gründe für das Paula-Prinzip sind vielfältig, die meisten von ihnen sind gesellschaftlich begründet. Aber auch die unterschiedlichen Charaktereigenschaften von Mann und Frau können eine Ursache sein, warum bei Frauen eher das Paula-Prinzip und bei Männern das Peter-Prinzip greift.

Einer der Gründe für das Paula-Prinzip liegt oftmals schlichtweg in der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht. Nach wie vor sind Frauen von Diskriminierung in der Arbeitswelt betroffen. Allein aufgrund ihres Geschlechts wird Frauen häufig eine geringere Belastbarkeit unterstellt als Männern. Besonders auffällig ist diese Diskriminierung im Handwerk, das in vielen Bereichen nach wie vor eine reine Männerdomäne ist. Frauen werden hier oftmals zunächst belächelt.

Auch bei streng hierarchischen Organisationen wie der Polizei oder der Bundeswehr, aber auch bei der Feuerwehr oder im Rettungsdienst, arbeiten mehr Männer als Frauen. Das liegt nicht nur daran, dass sich mehr Männer für diese Berufsfelder interessieren, sondern auch, dass diese immer wieder wegen sexuellen Übergriffen oder Belästigung in der Kritik stehen. Viele Frauen entscheiden sich daher von Anfang an gegen eine Karriere in einer dieser Branchen oder verlassen sie nach entsprechenden Vorfällen.

In Anknüpfung an generelle Diskriminierung spielen Rollenklischees, die häufig nach wie vor dementsprechend umgesetzt werden, beim Paula-Prinzip eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die häufige Rollenaufteilung, spätestens wenn eine Familie gegründet wird, ist folgende: Frauen bekommen die Kinder, sie sind für die Erziehung zuständig und übernehmen auch darüber hinaus meist sämtliche Aufgaben in der Betreuung der Kinder. Wenn ein Kind krank ist, bleibt die Frau zuhause. Ähnlich ist es im Fall von pflegebedürftigen Eltern, auch hier übernehmen Frauen eher die Pflege als die Männer.

Diese Denkmuster spiegeln sich deutlich in der Berufstätigkeit wider: Sobald es Nachwuchs gibt, sind es in der Regel die Frauen, die ihre Anstellung (zumindest vorübergehend) aufgeben. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2019 zeigen, dass nach der Geburt des ersten Kindes lediglich 48 Prozent der Frauen weiterhin in Teilzeit oder Vollzeit arbeiten gehen. In ca. 52 Prozent der Fälle bleibt die Frau demnach zunächst ganz zuhause, während der Mann in Vollzeit arbeiten geht. Eine Frau steht dem Arbeitgeber aus diesen Gründen oft schlichtweg weniger zur Verfügung, daher wird sie seltener befördert – auch wenn sie insgesamt eventuell bessere Arbeit leistet.

Zudem werden Männer häufig eher befördert, weil sie auf ihr Recht zur Beförderung bestehen und dieses aktiv einfordern. Frauen sind zurückhaltender und bescheidener, sie trauen sich neue Aufgaben nicht so einfach zu wie Männer. Das steht ihnen jedoch in der Berufswelt häufig im Weg, denn hier ist es Durchsetzungsvermögen und Selbstbewusstsein wichtig, um ans Ziel zu gelangen.

Ein weiterer Grund dafür, dass Männer beruflich häufig eher und schneller aufsteigen, liegt darin, dass sie oftmals über ein größeres Netzwerk verfügen. In der Arbeitswelt funktionieren viele Aufstiege über eine entsprechend gute Vernetzung. Frauen fehlen häufig die Kontakte in die sogenannte vertikale Hierarchie, wie Schuller in seiner Formulierung des Paula-Prinzips beschreibt. Das bedeutet, dass sie kaum Personen in höheren Positionen kennen, die sie für eine ranghöhere Position empfehlen oder ihnen unterstützend zur Seite stehen. Frauen vertrauen stärker auf ihre Abschlüsse, statt ihre Netzwerke zu pflegen und weiter auszubauen. Das kann im Falle einer Beförderung jedoch zum Problem werden, denn Kontakte in die Führungsetage können durchaus den entscheidenden Ausschlag geben.

Der letzte mögliche Grund für das Paula-Prinzip liegt anders als die zuvor genannten, in einer bewussten Entscheidung der Frauen, ohne äußere Einflussfaktoren. Schuller, der das Paula-Prinzip 2007 formuliert hat, beobachtet bei einigen Frauen, dass sie schlichtweg andere Prioritäten setzen. Frauen entscheiden sich in einigen Fällen bewusst gegen eine berufliche Karriere. Sie gründen beispielsweise eine Familie oder verfolgen andere Interessen.

Dafür nehmen sie bewusst in Kauf, dass sie nicht so hoch aufsteigen werden, wie es durch ihre berufliche Qualifikation möglich wäre. So wählen Frauen eher als Männer einen Job, der sie zufriedenstellt, unabhängig vom individuellen Rang auf der Karriereleiter. So zum Beispiel, wenn sie im Einzelhandel oder in der Gastronomie mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammenarbeiten können, obwohl sie ein Studium oder eine höher qualifizierte Ausbildung abgeschlossen haben.

Auswirkungen und Probleme

Das Paula-Prinzip bringt einige Probleme mit sich, nicht nur für die betroffenen Frauen, sondern auch für die Unternehmen und die Gesellschaft im Allgemeinen.

Für die betroffenen Frauen

Die vom Paula-Prinzip betroffenen Frauen üben einen Job aus, für den sie überqualifiziert sind und können somit nicht ihr gesamtes Potential entfalten. Das kann zu einer allgemeinen Unzufriedenheit bis hin zu Depressionen führen, da eine Selbstverwirklichung nicht möglich ist. Betroffene Frauen verdienen weniger als in der ranghöheren Position, obwohl sie oftmals bessere Arbeit leisten als die entsprechenden Kandidaten, mit denen die Stelle besetzt wurde. Oftmals müssen sie sogar Aufgaben ihrer Kollegen fachlich nacharbeiten, wenn diesen das entsprechende Knowhow fehlt.

Für die Unternehmen

Den Unternehmen entsteht unter Umständen ein deutlicher finanzieller Schaden durch das Paula-Prinzip. Während hervorragende Arbeitskräfte in Funktionen mit weniger Verantwortung verbleiben, steigen Arbeitnehmer mit weniger Kenntnissen und Fähigkeiten immer weiter auf. Eine besser qualifizierte Kraft könnte in der gleichen Arbeitszeit mehr Aufgaben erledigen und somit effizienter arbeiten. Eine effizientere Arbeitsweise bedeutet einen höheren Gewinn für das entsprechende Unternehmen. Hinzu kommt, dass eine nicht ausreichend qualifizierte Kraft in einer ranghöheren Stelle eventuell entscheidende Fehler macht, die dem Unternehmen schaden

Hinzu kommt die Nichtbesetzung freier Stellen, obwohl ein geeigneter Kandidat dafür durchaus vorhanden wäre. Viele Jobangebote, die im Rahmen des Fachkräftemangels innerhalb eines Unternehmens unbesetzt bleiben, könnten idealerweise durch einen Mitarbeiter besetzt werden, der für seinen Job überqualifiziert ist.

Für die Gesellschaft

Durch das Paula-Prinzip findet gesellschaftlich eine Vergeudung von individuellem Potential sowie Ressourcen statt. Viele Frauen arbeiten in unterqualifizierten Teilzeitjobs, obwohl sie mehr leisten könnten. Hinzu kommt das gesellschaftliche Signal, dass Bildung nicht entsprechend honoriert wird. Viele Frauen entscheiden sich daher möglicherweise dazu, weniger Energie in ihre persönliche Bildung zu investieren. Als Endverbraucher kann das Paula-Prinzip außerdem zur Folge haben, dass man oftmals nicht die bestmögliche Beratung oder das Fachwissen vermittelt bekommt, die idealerweise möglich sein könnte. Der Grund: Eine Stelle ist schlichtweg nicht richtig besetzt (Peter-Prinzip) und das fachliche Wissen fehlt.

Handlungsmöglichkeiten: Wie kann man das Paula-Prinzip bekämpfen?

Das Paula-Prinzip kann von Frauen nur dann bekämpft werden, wenn sie erkennen, dass sie in genau diesem System „feststecken“. Die Erkenntnis ist der erste Schritt, um etwas zu ändern. Sollten Sie während des Lesens feststellen, dass das Paula-Prinzip (in Teilen) auch auf Sie zutrifft, ist es weder möglich nicht notwendig, alles auf Anhieb zu verändern. Gegen Diskriminierung oder veralte Denkmuster kann man als Einzelperson auf Anhieb wenig ausrichten. Man kann jedoch seine eigene Einstellung und sein eigenes Verhalten reflektieren und verändern und somit auch andere Menschen zum Umdenken anregen:

Reflektion, um Veränderung zu erreichen

Reflektion ist wichtig, um zu erkennen, an welchen Stellen Handlungsbedarf besteht, um entsprechend seiner Qualifikationen eingesetzt und bezahlt zu werden. Wichtig ist ein Austausch über mögliche Probleme sowohl mit Kollegen als auch mit Vorgesetzten. Probleme zu erkennen und benennen ist ein Anfang, um eine Veränderung zu schaffen. Veränderung beginnt nämlich schon dort, wo „alte“ Denkmuster, Strukturen und Einstellungen hinterfragt werden.

Wieso muss die Frau zuhause bleiben, wenn ein Kind geboren wird? Wenn eine Mutter zuhause bleiben möchte, kann sie das natürlich tun. Wenn sie jedoch den Wunsch verspürt, weiter arbeiten zu gehen, kann auch der Vater die Versorgung des Kinds übernehmen. Wieso sollte das nicht möglich sein?

Netzwerken schaffen

Es ist wichtig, bestenfalls bereits während der Ausbildung oder dem Studium ein Netzwerk aus Kontakten in der Berufswelt aufzubauen. Das gelingt unter anderem durch Praktika. Durch verschiedene Kontakte ist es nach Abschluss der Ausbildung meist leichter, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Netzwerken mit Kollegen ist über gemeinsame Hobbys außerhalb der Arbeitszeit möglich – oder für das weibliche Geschlecht auch durch spezielle berufliche Frauennetzwerke, die das Kontakteknüpfen erleichtern sollen. Soziale Netzwerke bzw. Jobbörsen wie Xing oder LinkedIn helfen, neue Kontakte mit ähnlichen Aufgabenbereichen zu finden und in Verbindung zu bleiben.

Unterstützung suchen

Fast alle beruflich erfolgreichen Menschen hatten irgendwann einen „Mentor“, in Form eines Beraters oder Betreuers, der ihnen bei Fragen und Problemen zur Seite stand. Wer von Anfang an diese Unterstützung hat, läuft meist keine Gefahr, dem Paula-Prinzip zu unterliegen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, die Beratung oder Hilfe einer erfahrenen Person anzunehmen.

Es ist sinnvoll, von der Erfahrung anderer zu lernen und daraus zu profitieren. Ein möglicher Mentor kann in der Arbeitswelt beispielsweise der eigene Chef bzw. Vorgesetzte sein. Während des Studiums, vor allem wenn eine Promotion oder Ähnliches angestrebt wird, kann es sinnvoll sein, über einen Job als studentische Hilfskraft Kontakt zu einem Professor herzustellen und zu pflegen.

Fazit

Das Paula-Prinzip bildet das Gegenstück zum Peter-Prinzip. Auch wer ausreichend qualifiziert ist, kann aus verschiedenen Gründen hinter seinen Möglichkeiten im Berufsleben zurückbleiben. Meist ist das Verharren in einer beruflichen Position nicht selbst gewählt, sondern wird durch gesellschaftliche Rollenbilder und Denkweisen befördert. Frauen, die das Gefühl haben, dass das Paula-Prinzip auf sie zutrifft, sollten nicht davor zurückschrecken, mögliche Probleme innerhalb ihres Unternehmens mit Kollegen und Vorgesetzten zu besprechen.